Die ernüchternde Bilanz von Berlins Tempo-30-Versuch

Stand: 04.01.2020

Ein Tempo-30-Schild mit dem Zusatz "Luftreinhaltung" steht an der Potsdamer Straße: Im Winter fällt der Effekt weit stärker aus als im Jahresmittel
Quelle: dpa/Paul Zinken

Im Kampf gegen deutlich erhöhte Stickstoffdioxid-Werte führte Berlin Tempo 30 auf einer zentralen Verkehrsader ein. Eine interne Auswirkung zeigt: Der Effekt ist gering. Die Verkehrssenatorin sieht sich trotzdem bestätigt.

Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsstraßen können zur Reduzierung des Umweltgiftes Stickstoffdioxid (NO²) beitragen - allerdings in eher überschaubarem Umfang. Das geht aus der internen Auswertung eines Pilotversuches in der Leipziger Straße in Berlin-Mitte hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Demnach ging die NO²-Belastung auf dem Abschnitt zwischen Markgrafenstraße und Potsdamer Platz zwischen April 2018 und April 2019 durch das Limit um 2,3 Mikrogramm je Kubikmeter im Jahresmittel zurück. Das entspricht einem Minus von vier Prozent. Nur im Winter fällt der Rückgang deutlicher aus. Zu dieser Jahreszeit sparte Tempo 30 fast fünf Mikrogramm des Umweltgiftes ein, wie es in dem Papier der Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt weiter heißt.

Die Gesamtbelastung an der Leipziger Straße betrug 2018 im Jahresmittel 59 Mikrogramm je Kubikmeter, lag damit so hoch wie an keiner anderen Berliner Straße mit Messstelle und weit über dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm. Im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen des Berliner Luftreinhalteplans wie Dieselfahrverboten, mehr Parkraumbewirtschaftung oder der Nachrüstung schmutziger Fahrzeuge könne das aber den Ausschlag für eine nachhaltige Senkung der NO2-Werte unter den Grenzwert geben, so die Senatsverwaltung. Daher werde das Tempo 30 hier auch beibehalten.

"Gerade in hoch belasteten Straßen ist jede Reduzierung der Stickoxidbelastung wichtig und willkommen", sagte Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther dazu. "Auch in der Leipziger Straße zeigt sich: Die Anordnung von Tempo 30 führt zu weniger Beschleunigungsvorgängen und damit zu besserer Luft." Sie sehe den Maßnahmenkatalog des Landes zur Luftreinhaltung voll bestätigt: "Der Mix aus stadtweiten und örtlich wirkenden Maßnahmen bringt den gewünschten Effekt."

Wie sich das Ergebnis berechnet

In der internen Auswertung wird betont, dass die Messungen in der Leipziger Straße um andere Faktoren wie meteorologische Einflüsse oder einen zuletzt generell rückläufigen Trend bei den NO²-Emissionen bereinigt worden seien. Der Rückgang im Zuge des Tempolimits sei "auf die geringe Intensität und (zeitliche) Länge schadstoffintensiver Beschleunigungsvorgänge zurückzuführen". Ein Ausweichverkehr, also eine Verlagerung der NO²-Belastung auf andere Straßen, sei nicht festzustellen.

Berlin überschreitet die europäischen Grenzwerte für gesundheitsgefährdende NO2-Emissionen wie Dutzende andere deutsche Städte. 2018 betrug der Jahresmittelwert, der sich aus einem Netz von Messstellen speist, 46 Mikrogramm je Kubikmeter. 2017 waren es 51, im Jahr davor 52 Mikrogramm.

Der Senat sieht sich vor diesem Hintergrund - nicht zuletzt unter dem Druck von Gerichtsurteilen - zum Handeln gezwungen, um den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm einzuhalten. Zu den im Vorjahr beschlossenen Maßnahmen gehören Durchfahrtverbote für ältere Diesel, die auch in einem Abschnitt in der Leipziger Straße greifen, sowie weitere Tempo-30-Zonen auf Hauptstraßen.

Senkung der Geschwindigkeit kann Schadstoffbelastung der Luft sogar steigern Um die Stickoxidbelastungen in den Städten zu verringern, wurden Tempo-30-Zonen eingeführt. Das Bundesverkehrsministerium sagt jetzt, dass diese Maßnahme nicht funktioniert. Ganz im Gegenteil, die Luft kann sich sogar noch verschlechtern.
Quelle: WELT/ Laura Fritsch

Quelle: welt.de vom 04.01.2020